Im Rahmen der Jugendhilfeplanung möchten wir, das Flexible Jugendmanagement und die Bürgermeister*innen der Gemeinden Leutersdorf und Seifhennersdorf, auf einen bislang unberücksichtigten Bedarf im Bereich der präventiven Jugendarbeit im Südwesten des Landkreises Görlitz aufmerksam machen.
Als Fachkräfte des Projekts Flexibles Jugendmanagement sind wir seit über 3 Jahren regelmäßig aktiv in den Gemeinden Seifhennersdorf, Ebersbach-Neugersdorf und Leutersdorf. Neben dem direkten Kontakt zu Jugendlichen in unseren offenen Angeboten stehen wir darüber hinaus in Gesprächen mit den Gemeindeverwaltungen und sind projektbezogen auch mit verschiedenen Kooperationspartner*innen aus dieser Region vernetzt. Durch die Teilnahme an Netzwerken, wie den Planungsraumrunden 4 und 5 sowie der Sozialraumrunde Oberland konnten wir zudem ein klares Bild zu den vorhandenen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII gewinnen und haben dabei einen offensichtlichen Mangel im Bereich der präventiven Jugendarbeit in dieser Region festgestellt. Im Folgenden werden Erfahrungen aus unserer Praxis erläutert, um die Ausgangslage zu schildern und den vorhandenen Bedarf zu klären.
Neben zunächst sporadischen Kontakten in die genannten Gemeinden verstetigte sich unsere Präsenz im Jahr 2020 durch das Angebot des Mobilen Jugendclubs auf dem Skatepark Oberland in Ebersbach-Neugersdorf sowie auf dem Gelände des ehemaligen Jugendclubs in Leutersdorf. Die Gemeinden wurden ausgewählt, da hier offensichtlich keine spezifischen Freizeitangebote für Jugendliche vorhanden waren, es jedoch sichtbare Jugendorte als Anlaufstelle für soziale Projekte gab. In wöchentlichen Terminen gestalteten wir hier ein offenes Angebot für Jugendliche mit Spiel-, Sport- und Austauschmöglichkeiten. Durch die Schaffung eines öffentlichen, kreativen und demokratischen Begegnungsraumes konnten sich junge Menschen kennenlernen und vernetzen. Gleichzeitig konnten wir die Bedarfe und Wünsche der Jugendlichen erfassen und uns einen Blick über deren Lebenslage verschaffen. Übergeordnetes Ziel des Angebots war dabei die bedarfsorientierte, gemeinsame Erarbeitung neuer Strukturen und Angebote für Jugendliche, wie beispielsweise ein selbstverwalteter Jugendclub, in den betreffenden Gemeinden. In diesem Zuge wurden auch die Verantwortungsträger*innen der Gemeinden sowie Kooperationspartner*innen involviert. Unser Angebot wurde in den Folgejahren fortgeführt, wobei sich unterschiedliche Aktionen und Entwicklungen ergeben haben.
In Leutersdorf besuchte in den letzten Jahren eine heterogene Gruppe von ca. 20 bis 40 Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren jeden Freitag von 16 bis 21 Uhr unser Angebot im dortigen Jugendclub. Dabei war die Konstellation der Gesamtgruppe schwierig, da sie aus verschiedenen, einzelnen Nutzer*innen-Gruppen aus dem Einzugsgebiet Seifhennersdorf, Eibau, Spitzkunnersdorf, Ebersbach-Neugersdorf und Leutersdorf bestand. Ursprünglich sollte der Jugendclub wieder neu belebt und in die Selbstverwaltung geführt werden, jedoch konnte keine volljährige Verantwortungsperson zur Vertragsschließung mit der Gemeinde gefunden werden, wodurch sich unser Angebot verlängerte. Zudem bestand innerhalb der Gesamtgruppe keine konstruktive Dynamik, sodass kaum selbstständige Aktionen oder Anstöße seitens der Jugendlichen kamen. Ein Jugendlicher der Gruppe beschrieb die eigenen Treffen der Jugendgruppe mit: „Es gibt keinen Zusammenhalt mehr, sondern es wird nur noch sinnlos abgehangen, um zu saufen und zu rauchen. Einfach sinnlos.“ Weiterhin kam es regelmäßig in Leutersdorf zu Sachbeschädigungen, vor allem im Bereich des Jugendclubs, weshalb auch die Gemeinde im Umgang mit den Jugendlichen Rat suchte. In mehreren gemeinsamen Treffen mit Gemeindevertreter*innen sowie den Jugendlichen wurde erörtert, wie die Situation zu verbessern sei. Viele Nutzer*innen wünschten sich hier ein offenes, noch regelmäßigeres Angebot im Jugendclub, wobei sich zeigte, dass ein Großteil der Gruppe keine Verantwortung im Jugendclub übernehmen möchte und viele eine konstante Anlaufstelle für eine sinnvolle Freizeitgestaltung suchen.
Mit Blick auf die Altersstruktur der Gruppe, das deviante Verhalten der Jugendlichen (Alkohol- und Tabakkonsum, Beleidigungen, Sachbeschädigung) und insbesondere deren persönlicher Ressourcen (schwierige familiäre Verhältnisse, Schulprobleme, Sucht) ist nicht davon auszugehen, dass ein selbstverwalteter Jugendclub die jungen Menschen in ihren Lebenslagen ausreichend auffängt. Sie befinden sich seit Jahren in „der Schwebe“, werden lediglich durch uns etwas aufgefangen und benötigen daher dringend ein festes Angebot, welches sich umfänglich ihnen und ihrer Lebenswelt widmet. Als Flexibles Jugendmanagement können wir diesen Bedarf an Beziehungsarbeit und Kontinuität bei Weitem nicht decken und gelangen hier an die Grenzen unseres eigentlichen Auftrags. Die Jugendlichen und die Gemeinde dürfen hier nicht im Stich gelassen werden und es besteht daher ein dringender Handlungsbedarf!
In Ebersbach-Neugersdorf wurde das offene Angebot des Mobilen Jugendclubs von 2020 bis 2022 regelmäßig umgesetzt. Im Kontakt mit den Jugendlichen zeigte sich auch hier, dass es an einem regelmäßigen offenen Freizeitangebot und einer sozialen Anlaufstelle für Jugendliche aus schwierigen Verhältnisse fehlte. Einige Jugendliche hielten sich dort auf, um nicht nach Hause zu müssen. Andere nutzten den Platz für sportliche Aktivitäten, hatten aber oft Angst vor älteren Jugendgruppen, die den Platz häufig mit Glasflaschen und Zigaretten vermüllten und teilweise die Skateelemente beschädigten. Zur Instandhaltung des Skateparks initiierten wir gemeinsam mit den Nutzer*innen, dem Quartiersmanagement Oberland, der Schulsozialarbeit, einer Tischlerei und der Gemeindeverwaltung mehrere Bauaktionen. Überdies wurde im Jahr 2021 mit der Gemeinde ein Antrag beim Simul+Mitmachfonds zur Sanierung des Skateparks und des Spielplatzes gestellt - leider ohne Erfolg. 2022 wurde dann nicht mehr am Wettbewerb teilgenommen, da die Folgefinanzierung für das 2. Teilprojekt „Jugendclub Hügel als Begegnungs- und Jugendort“ unsicher war. 2022 haben wir unsere Aktivitäten auf dem Skatepark weitestgehend eingestellt und arbeiteten seitdem an der Entwicklung eines adäquaten Freizeitangebots für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein, dem Quartierbüro, der IB Beratungsstelle, der Schulsozialarbeit und dem Projekt Orte der Demokratie. Auch hier bedarf es einer hauptamtlichen Struktur, um dem Bedarf gerecht werden zu können.
Seit der Wiedereröffnung der Skatehalle Seifhennersdorf im Jahr 2022 wächst dort zunehmend die Nachfrage nach Angeboten. Im Rahmen des Zukunftspakets konnten wir dieses Jahr gemeinsam mit dem Karlihausverein Jugend und Kultur e.V. sowie der Gemeinde ein vielseitiges Programm aus Workshops und Aktionen in der Skatehalle durchführen. Die Ehrenamtlichen des Vereins sind mit der Betreuung der Skatehalle und des Jugendclubs dabei stark ausgelastet und können im Rahmen ihres Ehrenamts keine zusätzlichen Angebote gewährleisten. Hier bedarf es einer Struktur, um die Ehrenamtlichen zu unterstützen und ein bedarfsgerechtes Jugendangebot zu etablieren, das über die Öffnung der Skatehalle hinausgeht.
Letztlich bilden die drei Gemeinden einen zusammenhängenden Sozialraum, in welchem sich die jungen Menschen bewegen und ihre Freizeit verbringen. Daher braucht es eine professionelle Struktur, die den gesamten Sozialraum einbezieht und sich den komplexen Bedarfen widmet.