Neun ehrenamtlich aktive Jugendinitiativen im Landkreis Görlitz stellten sich fünf Fragen im Interview und gaben einen Einblick in das, was sie tun und das, was sie bewegt. Aussagekräftige Fotos zeigen zudem perspektivisch Jugend(entleerte) Orte und Plätze, wenn…
…wenn alles so bleibt, wie es ist!
„Jugendkultur im Fokus“ ist eine eindrückliche und ernstzunehmende Dokumentation bestehender, aufblühender, aber auch verschwindender Jugendinitiativen und Jugendkulturen im Landkreis Görlitz geworden. Abwanderung, demografische Entwicklung, veränderte Freizeitinteressen und zunehmende Konsumhaltung sind Gründe für das Verschwinden, aber für die porträtierten jungen Menschen kein Hindernis, aktiv zu sein. Engagement und Kreativität setzen sie der Kulturleere und dem kommerziellem Mainstream entgegen und gestalten selbst, wo jugendspezifische Angebote fehlen oder reduziert werden.
„Viele gehen weg, auch wegen Arbeit natürlich, aber ich denke nicht, dass das unbedingt der primäre Grund ist, sondern ich denke eher, viele Jugendliche möchten halt einfach was erleben und in Görlitz gibt es momentan nicht viel zu erleben.“
(Ernie, Aufbruch der Görlitzer Jugend)
Aus dem Blickfeld gesellschaftlicher Verantwortungsträger*innen verschwinden die Themen Jugend und Jugendkultur zunehmend. Verwiesen werden soll hier nur beispielhaft auf eine gekürzte Jugendpauschale, reduzierte finanzielle Ressourcen für Projekte sowie dezimierte Fachkraftstellen im Bereich der Jugendarbeit. Im ländlich geprägten Landkreis Görlitz hat diese Situation zunehmend weniger und qualitativ schlechtere haupt- und ehrenamtliche jugendkulturelle Gelegenheiten zur Folge.
Für die Jugend wird es immer schwerer, eigene Ideen umzusetzen. Das hält sie jedoch keinesfalls ab. Sie überwindet einfallsreich finanzielle Schranken, umschifft gekonnt behördliche Klippen, füllt Nachwuchslücken, erlebt Höhenflüge sowie Durststrecken und manchmal eben auch ein unumgängliches Ende.
„Wir sind sehr optimistisch, dass es den Verein in 2 Jahren noch gibt, dass uns die Gemeinde noch nicht abgeschrieben hat."
(Thomas, Oberlausitzer Webschule e.V.)
Verschwindet die Jugend nun aus dem Blickfeld, weil sie aus der Region verschwindet oder vielleicht doch umgekehrt? Fakt ist, junge Menschen fehlen und das langfristig – als Produzent, Rezipient und Konsument von Kultur, Freizeit, Wirtschaft, Dienstleistung und Bildung.
Der Film zeigt eine Fülle existierenden Jugendengagements – junge Menschen, die sich selbst für ihre Lebenswelt verantwortlich zeigen, die sich einmischen und aktiv sind, auch für jene, die nach ihnen kommen werden. Es wird schnell klar: Jugend braucht eine attraktive und lebenswerte Umgebung, um sich bewusst für sie zu entscheiden und mitzugestalten.
„Für uns wäre es schade gewesen, wenn das, was die vorherigen Jugendlichen sich hier aufgebaut haben, dass das plötzlich nicht mehr genutzt wird, verfällt.“
(Raik, Jugendclub 8905 Hagenwerder e.V.)
Den jungen Gesichtern kann man für ihr Engagement, ihren Mut und ihre Zeit nur danken. Ohne sie wäre die Jugend im Landkreis Görlitz um allerhand attraktive Freizeitorte, vielgestaltige Kulturangebote und kreative Mitmach-Möglichkeiten ärmer. Es hätte auch diesen Film niemals gegeben, wenn…
…wenn sie nicht dabei gewesen wären!
Der Jugend ein Gesicht zu geben ist das Ziel der Filmemacher*innen aus dem Projekt Flexibles Jugendmanagement des Jugendrings Oberlausitz e.V. Um dieses Ziel zu erreichen wurden im vergangenen Jahr verschiedene Möglichkeiten gesucht und Aktivitäten entwickelt.
Die Wahrnehmung und Anerkennung ehrenamtlich aktiver Jugend im Landkreis Görlitz muss gesteigert werden. Daraus wurde schließlich die Idee zu einem Dokumentarfilm mit dazugehöriger Fotoausstellung geboren. Die Umsetzung dieser Idee sollte komplett in Eigenregie erfolgen. Da die technischen Voraussetzungen und das nötige Know-How dazu fehlten, musste zu allererst ein kompetenter Partner gesucht werden. Dieser wurde mit dem Team der Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanäle Görlitz gefunden. Einer ersten Einweisung in Film-Technik, Bildaufbau usw. folgte das direkte Ausprobieren. Parallel wurden 25 Jugendinitaitiven im Landkreis Görlitz angesprochen, um in dem Film mitzuwirken. Neun Jugendinitiativen waren es schlussendlich, die sich bereit erklärt haben.
Binnen kürzester Zeit hieß es dann für die Filmemacher*innen: Interviews führen, Einrichtungen und Plätze abdrehen sowie Schnittbilder einfangen. Parallel wurden die einzelnen Interviews geschnitten und mit passenden Fotos sowie Videoausschnitten hinterlegt. Danach wurden die Interviews in eine stimmige Reihenfolge gebracht, noch mit passendem Vor- und Abspann sowie Musik bestückt und voilà: die Dokumentation „Jugendkultur im Fokus“ war fertig.
Neun junge Initiativen von Bad Muskau bis Zittau zeigten Gesicht und stellten sich und ihre Aktionen vor. Sie ließen Einsichten darin zu, was sie bewegt und beschäftigt und wagten einen Blick in ihre Zukunft.
Doch nicht nur die Gesichter der Jugend sollten gezeigt werden. Wie sieht es denn erst aus, wenn diese irgendwann nicht mehr da sind, ihr Engagement und ihr Einsatz fehlen? Dieser Frage begegnete das Team des Flexiblen Jugendmanagements mit einer Fotoausstellung, die parallel zum Film entstanden ist. In dieser werden auf 21 Schwarz-Weiß-Fotos Jugend(entleerte) Orte aus verschiedenen Ecken des Landkreises gezeigt. Orte, die heute noch von jungen Menschen genutzt und erhalten werden. Orte, die im schlimmsten Fall morgen schon verschwinden können.
Nur mit sehr viel Mühe konnten die finanziellen Mittel zur Produktion und Vervielfältigung von Film und Fotoausstellung aufgetrieben werden. Dem Flexiblen Jugendmanagement stehen keinerlei Projektgelder zur Verfügung. Viele Anträge sowie Spendenaktionen über Crowdfunding oder Unternehmensanfragen in der Region blieben erfolgslos. Stellt sich wie so oft die Frage, wie viele gute Projekte noch am lieben Geld scheitern?
Die Filmemacher*innen des Flexiblen Jugendmanagements nutzen den Film und die Fotoausstellung, um die Themen Jugend und Jugendkultur mehr in das Blickfeld gesellschaftlicher Verantwortungsträger*innen und der allgemeinen Öffentlichkeit zu rücken.
Premiere feierte „Jugendkultur im Fokus“ im Jugendkulturzentrum BASTA! in Görlitz. Danach folgten Vorführungen auf dem fokusFestival (inkl. Fotoausstellung) und beim Haus und Hof e.V. (ebenfalls in Görlitz) sowie im Jugendhaus KOMMÄRZBANCK Hammerstadt e.V. bei Rietschen. Damit einhergehend wurden alle Interviews im Internet veröffentlicht. Die Ersten, die eine fertige DVD in den Händen hielten, waren die neun porträtierten Jugendinitiativen selbst. Darüber hinaus erhielten die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses und das Jugendamt des Landkreises sowie das Landesjugendamt Sachsen ein Exemplar.
Das Zeigen des Films und der Fotos allein sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob die Thematik auch wirklich gesehen wird und noch weniger, ob die Ausstellung „Jugendkultur im Fokus“ tatsächlich Wirkung zeigt. Es muss darüber geredet werden!
Die gesamte Video- und Fotodokumentation „Jugendkultur im Fokus“ kann kostenfrei ausgeliehen werden. Dazu gehören:
Die Filmemacher*innen sind gerne mit dabei, wenn im Anschluss an die Filmvorführung oder im Rahmen der Ausstellung ein Austausch bzw. eine Diskussion gewünscht wird.
Jugendkultur im Fokus
Video- & Fotodokumentation
Regie/Drehbuch: Flexibles Jugendmanagement
Produzent: Jugendring Oberlausitz e.V.
Darsteller*innen: Marco, Ernie, Thomas, Raik, Pierre, Seppel, Evi, Leon, Anne, Daniel, Lisa, Christopher, Maik, Marcel, Erik
Genre: Dokumentation
Technische Unterstützung: SAEK Görlitz
Jahr: 2012
Musik: Boatsbutnottheocean – Swept Away, I Am Not Lefthanded
Laufzeit: 60 Min.